Mein erstes Rennen !

Am 29.04.2001 wurde in Frauenfeld ein DOG - CART Rennen durchgeführt. Von einer Bekannten wurden wir gefragt, ob wir auch schauen gehen würden. Beat konnte nicht kommen. Also blieben die drei Stupsnasen unter meiner Obhut. Was sollte ich tun? Nur zuschauen hatte ich keine Lust, aber wenn ich mitmachen wollte, konnte ich nur mit Nalleni fahren. Belyj Jar war noch in der Läufigkeit, Thaiga war unmittelbar nach der Läufigkeit – blieb nur noch Nalleni. Doch der Gedanke – Nalleni und ich ein Team – war äusserst reizvoll. Morgen früh riss mich der Wecker aus dem Schlaf. Wer sich nicht rechtzeitig anmeldet, muss früh aus den Federn, um sich wenigstens noch rechtzeitig nachzumelden. Nach der Anmeldung wurde schon bald die Startliste bekannt gegeben. Logischerweise startete ich als Letzte in meiner Kategorie – mit der Nummer 50. Die Zeit zwischen der Anmeldung und dem Start vertrödelten wir mit Gassigehen und Herumschwatzen. Fast hätte ich es vergessen zu erwähnen. Nach der Startlistenbekanntgabe war noch Musher-Meeting. Da wurden allgemeine Informationen über den Rennverlauf und das Gelände abgegeben. Nach dem Meeting fuhren Bruno und ich mit anderen Teilnehmern die Rennstrecke ab. Für mich war das wichtig! Ich würde mir schon zutrauen, dass ich alles andere finden könnte - nur das Ziel nicht. Wieder zurück - begannen wir eben mit dem Trödeln. Zwischendurch mussten auch die Hunde mit genügend Wasser versorgt werden. An diesem Sonntag war es besonders wichtig, denn die Sonne wollte uns zeigen, was sie so alles auf Lager haben kann, wenn sie die Winterpause überstanden hat. Ich gab mich keinen Illusionen hin. Die Sonne brannte, Nalleni war das erste Mal ohne Mami und ohne Tantchen an einem Rennen. Zudem habe ich für solche Unternehmen eine ganz klare Einstellung. Sobald ich mit einem Tier arbeite, stelle ich die Anforderungen auf ein Minimum. Entweder klappt es, oder es klappt nicht. Ändern kann man ja doch nichts. Nalleni würde an diesem Tag die Athletin sein – ich dagegen würde nur ihre Animateurin sein. Alles was ich während dem Rennen tun könnte, wäre Nalleni mit meiner Stimme und meinen Ratschlägen ( andere sagen dem Befehle ) zum Laufen oder eben Rennen zu bewegen. Doch was nützen die besten Ratschläge, wenn sie nicht befolgt werden?! Das hat meine Mutter auch immer gesagt – jetzt sage ich es selber.

Der grosse Moment kam immer näher. Langsam aber sicher nahmen Nalleni und ich die paar Meter bis zum Start unter die Füsse. Ich schaffte es tatsächlich ruhig zu sein – vielleicht etwas zu ruhig. Andrea kam auch an den Start. Sie hielt meine Athletin. Nalleni bellte. Normalerweise wäre das ein gutes Zeichen – doch es war nicht das spritzige Bellen, das ich sonst von ihr kannte. Doch sie bellte – das war wichtig. Der Countdown begann – 5 – 4 – 3 – 2 – 1 – los! LAUF Nalleni LAUF! Nalleni zeigte einen etwas verwirrten Start. Keine Illusionen! Es war schliesslich schon 12.12 Uhr, bis wir auf die Strecke durften. 30 Meter nach dem Start kam die erste Kreuzung. Geradeaus Nalleni geradeaus. Nalleni sah sich im falschen Film. Sie verstand die Welt nicht mehr. Was soll sie hier – so alleine ohne Mami? Sie blieb mitten auf der Kreuzung stehen und drehte sich zu mir. Ich stieg vom Bike und versuchte, Nalleni in die richtige Richtung zu orientieren. Bis ich beim Bike war, hatte sie sich bereits wieder nach mir umgedreht. Alles VORAN und GERADEAUS halfen nichts mehr. Ich sass auf die Velostange und lächelte in die Zuschauermenge. Was soll’s, alles schimpfen und heulen hätten die Situation auch nicht besser gemacht. Scheinbar mussten wir beide ein jämmerliches Bild abgegeben haben. Vier Zuschauer fragten, ob sie helfen könnten. Ob sie nebenher rennen sollten. Ich fand diese Leute goldig. Natürlich war ich um jeden Hilfeversuch dankbar. Am liebsten hätte ich sie umarmt. Doch die Zeit lief. Ich nannte ihnen den Namen meiner Einzelkämpferin. Zu viert rannten sie neben uns her und riefen meiner Nalleni. Oh Wunder! Sie liess sich mitreissen. In einem wackeren Trab setzte sie eigenständig das Rennen fort. Ein riesiges Dankeschön an die mitfühlenden Leute! Immer wieder sagte ich – LAUF Nalleni LAUF. Trotz der Wärme arbeitete sie in einem flotten Trab. Sollte sie in den Passgang fallen, würde es viel Überredungskunst benötigen, um sie davon zu überzeugen, dass sie nicht aus der Familie mit zwei Höckern entsprungen sei. Doch sie war tapfer.

Eigentlich rechnete ich damit, dass ich von den Jöring-Teilnehmern mit zwei Hunden schon längst hätte eingeholt werden müssen – zumal ich als Letzte mit einem Hund gestartet war. Einen Blick zurück – es war weit und breit niemand zu sehen. Ich war zufrieden. Ein zweiter Blick zurück – da - das erste Zweiergespann kam angerauscht. Ich versuchte genau hinter Nalleni zu fahren, damit ich das herannahende Gespann nicht behindern würde. Eigentlich hätten die Hunde genug Platz gehabt, um links an uns vorbei zu kommen. Sie wählten aber den Weg auf der rechten Seite – der führte geradewegs ins Gras. Doch ihr Musher rief OK. Da fand ich das Ganze auch in Ordnung. Das Zweiergespann war sehr schnell unterwegs. Ich versuchte es nochmals – LAUF Nalleni LAUF. Es klappte. Nalleni liess sich förmlich mitreissen, denn sie wechselte in den Galopp. Zu meinem Erstaunen vermochte sie dieses Tempo recht lange durchzuhalten. Unglücklicherweise befanden wir uns zu diesem Zeitpunkt auf einer Strecke, da war weit und breit kein Schatten – kein Baum - einfach nichts. Ich empfand nur noch pure Bewunderung für meine Heldin. Ja, das war sie wirklich. Das Gespann vor uns entfernte sich mit rasantem Tempo. Nalleni wechselte nochmals in den Trab. Es waren nur noch ein paar Meter. Endlich – sie war da – die letzte Kurve vor der Zielgeraden. Kaum war das Ziel in Sichtweite, konnte ich Nalleni nochmals holen. Es war ein Traum! Ich sass auf dem Bike, meine Beine brauchten nicht zu arbeiten, und ich spürte den kräftigen Fahrtwind im Gesicht. Nalleni – du bist einfach Spitze. Nalleni hielt das hohe Tempo bis zum Zieleinlauf – die Sonne zeigte sich auch hier erbarmungslos. Ich war mächtig Stolz auf meine Heldin. Ich kann sie nicht anders nennen, denn für mich hat sie ein grossartiges Rennen geleistet. Ist ja auch klar, dass mein Sonnenschein eine ganze Cervelat für sich alleine haben durfte. Sie hat sie mehr als verdient.

Nach dem Rennen hatte ich Zeit für unser Trio. Es war heiss. Im Wald versuchte ich unseren Lieblingen etwas Bewegung zu verschaffen. Am späteren Nachmittag war die Rangverkündigung. Für uns wurde auf der Rangliste auch einen Platz freigehalten. Ich fand meinen Namen bei meiner Kategorie ganz zu unterst. Es machte mir nichts aus. Wir waren dabei, und wir waren ein tolles Team. Das ist es, was zählt!

An diesem Abend konnte ich noch lange nicht einschlafen. Immer wieder musste ich an die hilfsbereiten Zuschauer denken. Noch mehr bewegte mich, wie sich Nalleni tapfer durchgekämpft hatte – als Einzelkämpferin. Sie war einfach grossartig! Ich schickte unserer Athletin noch einen Gutenachtkuss, falls sie ihn noch hören würde. Nalleni war bestimmt schon auf ihrer Wolke, während ich noch immer auf der Zielgeraden den Wind im Gesicht zu spüren glaubte.

In nächsten Heft werde ich über Belyj Jar und ihre absolvierte Ausbildung als Therapiehündin schreiben. Bis dann viel Spass mit euren Lieblingen.